Späte Trachtenliebe

Späte Trachtenliebe

Ich bin kein bayerisches Madl, sondern ne kölsche Mädche, und habe viele Jahrzehnte lang ein Dirndl lediglich zu Karneval (der gerade in Köln in vollem Gange ist) oder als Besucherin der Wiesn in München getragen.

Aber woher kommt die Tracht eigentlich?

Die erste Tracht wurde im 15. Jahrhundert dokumentiert und einige Trachten haben ihren Ursprung bis heute in dieser Epoche.

Das wirkliche Interesse an Trachten entstand jedoch erst im späten 19. Jahrhundert, als im Zuge der Heimatbewegung ein wachsendes Augenmerk auf regionale Traditionen und eine romantische Auffassung des ländlichen Lebens gelegt wurde.

Die Gruppe von Männern auf dem letzten Foto trafen wir vor ein paar Tagen auf der Skipiste, auch sie in Tracht.

 

Tracht als Zeichen von Besitz und Wohlstand

Im Mittelpunkt standen nicht die Trägerin oder der Träger selbst, sondern die Kleidung diente als Ausdruck von Besitz und Wohlstand.

Je mehr Stoff in der Tracht verarbeitet wurde, je mehr Knöpfe auf den Westen angebracht hingen und je edler die Materialien waren, desto wohlhabender galt der Träger oder die Trägerin der Tracht.

 

Was versteht man unter Tracht?

Für Frauen ist das Dirndl, in der Zeit des Biedermeier entstanden, nach wie vor das beliebteste Kleidungsstück.
Es ist mit verstärktem Mieder, eng geschnürt und mit Stickereien verziert und mit Bluse und Schürze ergänzt.

Bei den Männern bleibt die typische Lederhose in unterschiedlichen Längen und Schnitten die erste Wahl.

Die gängigsten Materialien für hochwertige Trachten sind robuste Baumwoll- und Leinenstoffe, Samt, Seide, Brokat oder Jacquard, die auch für festliche Anlässe zum Einsatz kommen.
Bei den Männern finden sich zudem Wolle, Loden und Hirschleder.

Die bekanntesten und beliebtesten Muster sind Streifen, Karos, aber auch florale Motive, Herzen und kleine Trachtenmotive.
Traditionell sind die meisten Trachten in den klassischen Farben Schwarz, Weiß, Rot, Grün oder Blau gehalten.
Doch gerade auch bei Oktoberfestbesuchern aus aller Welt sind bei Farben, Schnitten und Bling Bling keine Grenzen gesetzt, auch wenn der Münchner oder Österreicher darüber nicht selten die traditionelle Trachtennase rümpft.

 

Tracht im Alltag

Die Tracht hat längst die Volksfeste hinter sich gelassen und wird besonders in vielen Orten Österreichs, wie zum Beispiel hier bei uns in Kitzbühel, gerne auch im Alltag getragen.
In München geht es nicht ganz so trachtig zu außerhalb bestimmter Anlässe, aber da lassen wir und auch viele andere Trachtenliebhaber es uns nicht nehmen, nach Lust und Laune, besonders in den typisch bayerischen Restaurants, einen schönen Janker mit Trachtenbluse, eine wollige Trachtenjacke oder auch mal eine lange Hirschlederhose anzuziehen, gerne städtisch moderner kombiniert.

Ich freue mich immer, im „s’Pfandl“, einem unserer Lieblingsrestaurants in Kitzbühel/Reith, unser Schnitzel von Sebastian und Sonja in Tracht serviert zu bekommen.

Genauso tragen Micki und ich Tracht beim Wandern oder einfach wenn wir Lust haben und zu jeder sich bietenden Gelegenheit.

 

Konvertiert zur Tracht

Mittlerweile bin ich seit mehreren Jahren Wahl-Münchnerin und oft in Kitzbühel, und ohne Tracht geht es einfach nicht.
Außerdem ist mein Mann ein begeisterter Trachtenfan, obwohl auch er zugereist ist und keine „Trachtengene“ in sich trägt.
So überredet er mich oft zu trachtigen Outfits.

Natürlich habe ich meine klassischen Trachtenoutfits.
Aber ich liebe es auch, mit Trachten zu experimentieren und moderne sowie traditionelle Elemente zu kombinieren – wie mal einen Janker mit einer Jeans oder eine Hirschlederweste zum Sommerkleid…

 

Heiraten in Tracht

Meine Tochter Valentina und ihr Mann Oliver, beide Kölner, lieben seit jeher Bayern, Österreich und natürlich die Trachten.

So entschieden sie sich sogar vor ein paar Jahren, standesamtlich in Bayern und in Tracht zu heiraten.
Auch für uns Gäste galt Dresscode: Trachten!

Sahen sie nicht wunderschön aus?

 

Wie bindet man die Schleife beim Dirndl?

Kennt ihr die Regeln der Dirndlschleife?
Es ist nicht uninteressant, diese zu lernen, um ungewollte Missverständnisse zu vermeiden, insbesondere beim Oktoberfest zu späterer Stunde:

– Rechts gebunden: Verheiratete, verlobte Frauen und solche, die vergeben oder nicht interessiert sind.
– Links gebunden: Ledige Frauen, die auf der Suche nach dem Richtigen sind.
– Vorne gebunden: Kinder, junge Mädchen und Jungfrauen.
– Hinten gebunden: Witwen und Kellnerinnen.

P.S.: Ich muss immer noch beim Anziehen meines Dirndls kurz überlegen, aber nicht wegen meines Familienstandes, sondern weil ich es einfach wieder vergessen habe. (siehe Bild 2…. falsch herum)

 

Weitere Tipps und Tricks für Trachten

– Kaufe kein zu enges Dirndl; es sollte gut sitzen, bequem sein und nicht schon bei der Anprobe den Atem rauben. (Mittlerweile gibt es auch Dirndl mit Elasthan.)
– Spezielle Dirndl-BHs sorgen für ein schönes Dekolleté.
-Hochgeschlossene Dirndl stehen Frauen mit kleinem Busen sehr gut.
– Bei Trachten gilt: Lieber weniger, dafür hochwertiger!
– Die Schürzen sollten immer etwas kürzer sein als der Rock.
– Designerhandtaschen lieber gezielt ausgewählen oder auf Trachtentaschen zurückgreifen.
-Gerade für sehr weiblich gebaute Damen ist das Dirndl perfekt!
-Damit das Dirndl bei mir nicht zu sehr aufträgt, verzichte ich grundsätzlich auf Unterrock und lasse oft beim Schneider ein paar seitliche Falten wegnehmen.
-Weniger ist mehr bei Mustern und grellen Farben.
-Korsagen und Janker sind wunderbar mit Jeans und Lederhosen aber auch weiten Sommerröcken.
-Statt Dirndl sind auch Röcke und Janker wunderbar… Gerade Lena Hoschek hat wunderschöne Röcke in ihrer Kollektion in Midi und Maxi. (letztes Foto)

– Schöne Accessoires runden das Trachtenoutfit perfekt ab.