Glück ist harte Arbeit

29 Kommentare zu Glück ist harte Arbeit
Bibi Horst berichtet über ihren Weg zum späten Glück.

Glück ist harte Arbeit

In meinen Ohren klingen immer noch die Worte meiner Eltern, die mich ermahnten, mich anzustrengen und besser zu sein als Andere, um im Leben etwas zu erreichen.

Aus elterlichen Erwartungshaltungen entwickelten sich nach und nach meine eigenen, mit festen Werten und Zielen und der genauen Vorstellung, wie mein Leben, aber auch das meiner Mitwelt zu sein und zu funktionieren hat.

Hohe Ziele bestimmten mein Leben

Hohe Ziele habe ich mir damals für mein Leben gesteckt, eine perfekte Familie, Karriere, Wohlstand und sportliche Erfolge, Anerkennung, Attraktivität und gute Gesundheit bis ins hohe Alter.

Nicht nur die Erwartungen waren in der Komplexität betrachtet ambitioniert.
Sondern dazu auch noch der Wunsch nach dem großen Glück, das mich auf diesem Weg tatkräftig unterstützen und begleiten sollte.

Der Weg zum Glück

Reichen eiserner Wille, Fleiß und Ehrgeiz im Leben aus, damit der liebe Gott mir wie einst Frau Holle das Glück vom Himmel schüttelt?

Auf dem Tripp des ‚immer besser, immer schneller und immer mehr’ bemerkte ich nicht, dass auch ich immer gestresster, angepasster und fremdgesteuerter agierte.

Ich war enttäuscht, oft sogar wütend, dass mir das umfassende und beständige Glück nicht widerfuhr, obwohl ich es eigentlich doch wirklich verdient hätte.

Aktionistisch schlug ich die unterschiedlichsten Wege ein, oft sogar mehrere gleichzeitig, doch das anhaltend innere Gleichgewicht und die tiefe Zufriedenheit blieben unerreicht.

Auf dieser unerschöpflichen Reise zum Glück schaute ich oft vergleichend nach rechts und links.
Dabei entdeckte ich vermeintlich Erfolgreichere und von Glück Beseeltere und erlaubte ihnen, die Macht über meine Glückseligkeit zu übernehmen.

Was ist Glück überhaupt?

In dieser Zeit bedeutete Glück für mich etwas Großes und Anhaltendes, ein perfektes Leben, in dem alles gelingt und das Schicksal mir frühzeitig sämtliche Steine aus dem Weg räumt.

Aber ist Glück wirklich dieser große und beständige Zustand, der dem Glückspilz vom Himmel geschenkt wird und dem Pechvogel verwehrt bleibt?

Ist der Lottogewinn, die Beförderung oder die Schönheit bis ins hohe Alter der Beweis für mein persönliches Glück?

Glück im Alter

Viele euphorische Berge aber auch schmerzliche Täler musste ich durchschreiten, um für mich meine ganz persönlichen Antworten darauf zu finden.
Und heute denke ich ein wenig anders darüber.

Gerade die Stolpersteine, die mir nicht aus dem Weg geräumt wurden und über die ich stattdessen schmerzvoll gestürzt bin, sind zum Wegweiser meines Glücks geworden.

Ich begann zu verstehen…
*dass das Glück nicht groß und laut, sondern klein und zart ist,

*dass es Entschleunigung und Achtsamkeit benötigt und vor Stress lieber flüchtet,

*dass es sich nach Schutz und Liebe sehnt,

*dass es jedem geschenkt wird, der bereit ist, sich ihm zu öffnen,

*dass es unbemerkt und leise kommt und am liebsten in der Stille lebt,

*dass ich es in jedem Moment finden und kultivieren kann.

Glückspilz oder Pechvogel?

Und plötzlich wurde mir auch klar, wo der Ursprung des Glückspilzes oder Pechvogels begraben liegt.
Nicht Herkunft, Intelligenz oder Schicksal entscheiden über das eine oder das andere.

Während der Glückspilz bewusst innehält und achtsam die kleinen lebensbereichernden Momente erkennt und sie dankbar als sein persönliches Glück annimmt, wartet der Pechvogel im aktionistischen Trubel seines Alltags und mit großer Erwartungshaltung vergeblich auf die von Glück beseelte Lebenshilfe von außen.

Hat Glück mit Geld oder Gesundheit zu tun?

Wie kann es sein, dass Menschen nach schweren Unfällen mit bleibenden körperlichen Behinderungen trotzdem oder sogar erst deswegen, tiefe und erfüllende Glücksmomente erleben?
Gerade in ihrem Zustand des Innehalten-Müssens und der Neuorientierung gelangen sie nicht selten auf diese stillen Pfade des Glücks, die ihnen vorher in der Hektik des Alltags verwehrt blieben.

Wie kann es sein, dass so viele Lottogewinner am Ende todunglücklich vor dem Nichts stehen oder sich sogar das Leben nehmen?

Wie kann es sein, dass statistisch die Menschen aus den reichsten Ländern im Glücks-Ranking nur mittlere Plätze belegen?

Ist Glück messbar?

Je älter ich werde, je mehr bin ich der Überzeugung, dass Glück weder die Erfüllung großer Lebensträume ist, noch mit der Höhe meines Bankkontos, erzielten Erfolge oder intakter Familie zu tun hat.

Glück bleibt vielmehr für mein Auge und meinen Verstand unsichtbar.
Es wohnt in der Stille und wenn ich es erleben möchte, muss ich anhalten und mich mit offenem Herzen dem so faszinierenden Schauspiel des Lebens zuwenden.

Glück ist kein anhaltender Zustand, sondern die Addition vieler kleiner Glücksmomente, die unterm Strich meine Zufriedenheit ausmachen.

Es lässt sich auch leider nicht konservieren oder festhalten, nur immer wieder neu erleben.

Dankbarkeit als Geheimtipp zum Glück

So muss ich bereit sein, diese Glücksmomente als solche wahrzunehmen und zu genießen.

Genauso die erlebten mit bewusster Dankbarkeit in mir aufzusaugen, wohlwollend vorbeiziehen zu lassen und mit Zuversicht weiteren meine volle Aufmerksamkeit zu schenken.

Glück hat also nichts mit Lottogewinn, gelungener Partnerwahl oder einem ‘Hole in one’ im Golf zu tun.
Dies sind eher positive Lebensereignisse, deren Gelingen zum Teil in unserer Macht liegt, zum Teil aber einfach unter die Kategorie der freudigen Zufälle einzuordnen sind.

Glück als Ausrede

Auch muss Glück oft als Ausrede herhalten, wenn anderen Schönheit oder Erfolg geneidet wird oder einfach die Bequemlichkeit siegt, um die eigene Komfortzone zu verlassen.
Unbeachtet bleibt dabei nur häufig die gefährliche Bumerang-Wirkung und der damit vergiftete Weg zum eigenen Glück.

Wie oft verglich ich mich als Heranwachsende mit anderen und bewunderte regelmäßig deren so vermeintlich heilere und von Glück beseeltere Welt.
Und wie oft waren es gerade diese Glück-Maries, deren Leben bei näherem Hinschauen sich als so ganz und gar nicht rosig entpuppten.

Glück gehört den Mutigen

Nichts stand in der Vergangenheit meinem Glück häufiger im Weg als das ängstliche Festhalten an Altem und Belastendem.
Die Welt dreht sich unaufhörlich und entwickelt sich weiter.
Genauso ist mein Leben ein ständiger Prozess aus Loslassen, Veränderung und Neubeginn.

Ich habe viele Jahre gebraucht, dies zu verstehen und für mich umzusetzen.
Viel zu lange haderte ich und wartete auf Hilfe von außen oder oben.

Einstein hat es einmal so wundervoll treffend beschrieben: Der Gipfel des Wahnsinns ist, auf Veränderung zu hoffen, ohne etwas zu verändern.

Ich sah es lange als Zufall an, wenn mir plötzlich Glück zuteil wurde, nachdem ich mutig neue Schritte gewagt hatte.
Heute interpretiere ich weise lächelnd diese Koinzidenz als Belohnung von oben.

Glück ist ein ständiger Prozess

Ist es also nicht wunderbar, dass Glück kein passiver Status ist, der vom Himmel an Privilegierte verschenkt wird, sondern ein Prozess, den ich aktiv beeinflussen kann?…

Den ich nicht mit den Händen oder dem Verstand erwarten oder erzwingen muss, sondern vielmehr tief in meinem Inneren spüren und zulassen kann?

Den ich selbst trainieren und kultivieren kann?

Für den es sich lohnt, mutig loszulassen und freudig Neues anzupacken?

Für mich persönlich ist Glück jetzt… 

*Zuallererst sicher die Liebe zu meiner Familie und meinen guten Freunden.

Je älter ich werde, umso wichtiger ist mir dabei die Qualität und nicht die Quantität.
Konnten früher die Anzahl meiner Partygäste nicht zahlreich genug sein, schätze ich seit einigen Jahren eher den  kleineren und mir sehr nahegehenden Kreis.

*Gesund und fit zu sein und energiegeladen in die dritte Lebenshälfte zu starten.

*Den Mut und die Kraft entwickelt zu haben, tiefe Täler zu durchschreiten und an ihnen zu wachsen.

*Tag für Tag zu erleben, welch ein wundervoller Mensch aus meiner mittlerweile erwachsenen Tochter Valentina geworden ist.

*Einen vierbeinigen Enkel geschenkt bekommen zu haben.

*Tagtäglich die Natur in vollen Zügen zu genießen.

*Immer wieder neue Fleckchen Erde erkunden zu dürfen.

*Kreativ zu arbeiten und Menschen mit meiner Social-Media-Arbeit zu inspirieren und an die Hand zu nehmen.

*Endlich Zeit und Muße zu haben für die schönsten Dinge im Leben.

*Spät nochmals die große Liebe gefunden zu haben.

*Und jeder Moment in meinem Leben, der mich achtsam und lebendig sein lässt.

Glück ist harte Arbeit…

Doch nichts lohnt sich mehr, vor allem jetzt und in meinem Alter.

 

Und wenn mir heute beim Spazierengehen ein fröhlich flatternder Schmetterling begegnet, dann höre ich genau hin. Vielleicht habe ich ja das Glück, ihn lachen zu hören.

 

Eure Bibi

p.s. Wer Schmetterlinge lachen hört, der weiß wie sich Glück anfühlt.

29 Kommentare

    1. Danke liebe Bibi für die vielen #glücksmomente, die ich beim Lesen dieses schönen Artikels erleben durfte. Gänsehautfeeling🍀💋

  1. …und Glücklich kann ich mich nur selber machen…es muss von innen kommen und ich kann es mit anderen teilen.
    Ein toller Blogbeitrag und ich kann alles nur unterschreiben… liebe Grüße Annette

  2. Wieder so wahr, erfrischend und Mut machend. Glücklich sein ist nicht mehr alltäglich, nicht normal. Es gibt eben den Alltag. Und dann wechsle ich den Ort, komme so raus aus dem Alltag und das Glücksempfinden ist da.
    Danke für diesen Beitrag.

  3. Danke liebe Bibi für diesen wahren Beitrag über Glück und Zufriedenheit…..
    Das Glück ist immer um Dich, doch wenn Du es suchst und danach strebst, wirst Du lange Wege gehen um es zu finden!
    Das sind die Worte meines Vaters gewesen. Ganz unrecht hatte er nicht….. Seit einiger Zeit habe ich aufgehört auf andere zu schauen und es geht mir gut.
    Deinen Beitrag habe ich meinen Mann ausgedruckt und ganz wortlos zum Lesen hingelegt…… Bin gespannt ob er etwas sagen wird oder vielleicht doch mal über das Glück, dass er hat, endlich sieht.
    Danke Dir und alles Glück für weitere schöne Lebensabschnitte
    Evelin

  4. Danke liebe Bibi für diesen sehr berührenden Beitrag. Ein kleiner Schubs, sich das eigene Glück noch etwas bewusster zu machen. Dein „Leuchten“ spricht Bände! Herzliche Grüße Bruni

  5. What an eloquent post.
    Happiness seems so elusive for so many but often, I think it comes when we least expect it. I agree that if one is content within, then happiness will tap one on the shoulder. It’s a transient and ephemeral thing that can’t be strived for – I think it just happens.

  6. Liebe Bibi 🌞
    Danke für Deine Gedanke – sie tun so gut.
    Ich freue mich über Dein neues Glück 💞
    Liebste Grüße aus Hamburg
    Anke

  7. Great email to receive at this present time at home in Lockdown 6 in Melbourne Australia.
    Happiness is so important to have especially now.
    Thank you for this & happiness to you always.

  8. Ohhh wie wunderbar es ist wenn man erkennt wie gut es einem doch geht.

    Du bereicherst mit deinen Beiträgen so viele Menschen und ich wünsche dir von ganzen Herzen , spannende , energiereiche Momente, Gesundheit bis ins hohe Alter und vom Kuchen der Zufriedenheit…ein ganz großes Stück.
    Ich freu mich sehr über Deine neue große Liebe , ich fand meine auch erst später und bin glücklich wie noch nie.

    Auf das schwungvolle Leben, freu mich jetzt schon auf den nächsten Bericht.

    Liebste Grüße,
    Gabi

    P.s. Ihr seid ein wunderschönes Paar

  9. Danke liebe Bibi für diesen wunderbaren Beitrag über das ach so flüchtige Glück. Deine Sätze machen Mut und lassen inne halten.
    Dir persönlich wünsche ich, dass dein privates Glück alles überdauert. Liebe Grüße aus Hamburg

  10. Hallo liebe Bibi,

    vielen Dank für diesen berührenden und wertvollen Beitrag zum Thema Glück. Ich finde mich darin absolut wieder. Ich bin jetzt 62, habe ebenso nochmals die große Liebe gefunden, was mich auch für Dich sehr freut und werde nochmals heiraten.

    Alles Liebe
    Helga

  11. Liebe Bibi!
    Ein sehr sehr gelungener Artikel,
    den ich eben erst las, als ich in unserem traumhaften Hortensiengarten bei leichtem Teich Geplätscher darauf wartete, dass mein Herzensmensch das Frühstück macht. Und wenn dann noch eine Amsel im Vogelbad ihre Morgentoilette macht, ist das ungefähr so,
    wie wenn ein Schmetterling lacht ♥️
    Viele Schicksalsschläge begleiteten mich in meinem Leben (Brustkrebs… ein beinah amputierter Unterschenkel in der Folge einer verunreinigten Spritze ins Knie …. 40cm weniger Darm … Mutter tot als ich 31 war.. Vater 34… mein großer Bruder vor 7 Jahren … und gleich zwei gescheiterte Ehen ) trotzdem bezeichne ich mich weiterhin als Glückspilz!

    Es sind nicht die Glücklichen, die dankbar sind, sondern die Dankbaren sind glücklich !

    In diesem Sinne Tausend Dank für deinen wundervollen Bericht !!

  12. Aus dem Poesiealbum:
    Warum in die Ferne schweifen, sieh das Gute liegt so nah (sieh der Gute liegt schon da ups!;-)
    Lerne nur das Glück ergreifen, denn das Glück ist immer da
    Goethe
    Dem möchte ich nichts hinzufügen außer den herzlichen Grüßen an die süße Bibi Horst

  13. Nur wer die Schattenseiten des Lebens „erlebt“ hat, schätzt die Sonnenseiten!
    Wir kannten immer nur einen Weg – nach oben!
    Dann kam der Absturz ohne Trudeln – nein, gleich ganz tief.
    Geld spielte keine Rolle mehr – es ging nur noch um ein Leben.
    Heute – 6 Jahre nach dem totalen Absturz, nachdem wir eine Balance gefunden haben, sagte mein Mann zu mir:
    „Die letzten beiden Jahre waren die besten Jahre meines Lebens.“

    Wir sind glücklicher als jemals davor.
    Dankbarkeit hat uns erreicht!

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